Ehrenamt: Dietmar Ortel über Politik, Wertschätzung und Zukunftsperspektiven im Handwerk

Zum Tag des Ehrenamts

Herr Ortel, Wie stellen sie sich eine vernünftige Politik fürs Handwerk vor?

Seit Jahren engagiert sich Optikermeister Dietmar Ortel aus Eberswalde ehrenamtlich – auch in der Politik. »Weil man nur so Einfluss nehmen und gestalten kann«, ist er überzeugt. Seit 2014 ist  er Stadtverordneter der CDU-Fraktion, war Vorsitzender und Mitglied diverser Fachausschüsse, zurzeit im Ausschuss Gesundheit, Soziales und Senioren im Kreistag sowie im Jobcenterbeirat Barnim.

Herr Ortel, wie stellen Sie sich eine vernünftige Politik für das Handwerk vor?
Vernünftige Politik für das Handwerk wird durch eine kontinuierliche, wertschätzende Kommunikation auf allen gesellschaftlichen Ebnen entstehen. Als tragendende Säule des Wirtschaftserfolges kann das Handwerk nicht losgelöst von der Politik gestaltet werden. Verantwortliche haben sich bei einer Lösung wirtschaftspolitischer Aufgaben von der Interessenlage der kleinen und mittelständischen Unternehmen entfernt. Diese erfüllen den großen Anteil der Daseinsvorsorge in unserem Land und dürfen nicht im Stich gelassen werden. Ein Idee wäre ein „Taskforcebus“ der Handwerkskammer, mit dem man für die Öffentlichkeit sichtbar die entsprechenden aufsucht, um schnell auf die entsprechenden Bedürfnisse des lokalen Handwerks zu reagieren.

Welche Rolle spielt das Handwerk eigentlich in den Kommunen, Städten und Gemeinden?
Das Handwerk ist verlässlicher Motor der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung. Ohne diese Leistung sind Kommunen nicht in der Lage, die notwendigen Pflichtaufgaben und freiwilligen Aufgaben zu erfüllen. Mit Besorgnis mussten wir zur Kenntnis nehmen, wie viele Unternehmen durch dauerhafte wirtschaftliche Stressfaktoren unter Druck geraten sind. Das sollte in die Köpfe der Politik und besser verstanden werden.  Gute Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Wirtschaftsförderung sind ein notwendiger Faktor in den Kommunen, Städten und Gemeinden und darf nicht dem Rotstift zum Opfer fallen.

„Produktive Arbeit gehört als Schulfach ins Bildungssystem“

Sie sind Optikermeister und im Ehrenamt Stadtverordneter in Eberswalde. Was erwarten Handwerker denn von den Mandatsträgern?
Wir sind gewählte Abgeordnete der Bürger. Die Menschen müssen im Mittelpunkt unserer Arbeit stehen. Die Politik sollte Brückenbauer bei allen gesellschaftlichen Fragen sein, die die Belange des Handwerks betreffen. Um diese Brücken bauen zu können, müssen wir die dafür notwendigen Formate entwickeln. Verwaltungen und Verantwortungsträger müssen sich als Dienstleister für die Bürger verstehen. Handwerkerinnen und Handwerker erwarten, dass diese nicht nur in den Fachämtern arbeiten , sondern in die Betriebe gehen und vor Ort lösungsorientiert agieren. Die Handwerkskammer ist ein wichtiger Akteur , kann aber nur etwas erreichen, wenn die Entscheidungsträger von notwendigen Maßnahmen zur Entwicklung und Stabilisierung von Wirtschaftskreisläufen überzeugt werden.

Erfährt aus Ihrer Sicht das Handwerk genug Wertschätzung?
Um Wertschätzung zu erfahren benötigt es Menschen, die mit diesem Begriff umgehen können. Leider mussten wir auf politischer Ebene erfahren, dass dies nicht immer der Fall war. Hier denke ich an die Bauernproteste. Die Bundespolitik war nicht in der Lage, eine wertschätzende Kommunikation zu führen und den Unternehmen Existenzängste zu nehmen. Entscheidungsträger haben sich durch verständnislose Verhaltensweisen von den Bürgern entfernt. Hier sind die IHK und auch die Handwerkskammer gefordert. Wir müssen mehr in einen glaubwürdigen, bürgernahen Austausch kommen und dem gesunden Menschenverstand eine starke Stimme geben.

Wie kann man die Attraktivität einer Berufsausbildung steigern?
Die produktive Arbeit muss im Bildungssystem verankert werden. Dadurch erreichen wir ein erlebbares Verständnis für den Arbeitsalltag in vielseitigen Wirtschaftskreisläufen. Es müssen weitere Möglichkeiten erschlossen werden, mit dem Ziel, dass Kinder und Jugendliche ein Interesse für Handwerksbetriebe entwickeln. Betriebsbesuche von Schülern ab der Grundschule, Erlebnistage, Tag des Handwerks, die Lange Nacht der Wirtschaft sind dafür mögliche Formate. Die Berufsorientierung als eigenständige Vorbereitung sollte stärker im Schulalltag etabliert werden. Da reicht das Schülerpraktikum nicht aus. Ich denke, dass es dabei wichtig ist, Jugendliche in diesen Gestaltungsprozess einzubinden. Wir dürfen nicht über die Jugendlichen sprechen, sondern mit Ihnen, um genau dadurch die notwendige Zielsetzung für die Ausgestaltung von zuverlässigen Rahmenbedingungen zu erarbeiten. Es geht dabei um die Zukunft. Handwerksbetriebe müssen aber auch dafür sorgen, dass sie in Ihrer Außendarstellung verstärkt interessant und innovativ wahrgenommen werden.

„Das Handwerk muss genauso wertgeschätzt werden wie die Industrie“

Das Handwerk ächzt unter vielen Belastungen. Welche Entlastungen wären hilfreich?
Firmen und Beschäftigte müssen bei den Lohnnebenkosten entlastet werden. Wie kann es sein, dass auch Ausbildungsvergütungen besteuert werden? Wir brauchen Spielräume, um die Entlohnung unserer Mitarbeiter zu verbessern, damit ihnen endlich mehr Netto vom Brutto bleibt. Bleibt die Abgabenlast für die Handwerksbetriebe so hoch wie jetzt, ist das für viele nicht mehr zu stemmen. Schon jetzt entstehen Schieflagen von mittelständischen Unternehmen. Die Insolvenzen nehmen zu. Wertvolle Betriebe, die Träger von Berufsausbildung sind, gehen verloren. Ich würde mir wünschen, dass IHK und HWK hier eine noch stärkere Rolle einnehmen sollten, um Entscheidungsträger davon zu überzeugen, dass wir dringend investitions- und wettbewerbsfähige Pakete zur Konjunkturstärkung brauchen.

Wann hätten Sie das Gefühl, dass eine Regierung das Handwerk so schätzt, wie Sie sich das vorstellen?
Wenn es ein Verhältnis auf Augenhöhe gibt. Wenn das Handwerk die gleiche wertschätzende Wahrnehmung und faire Rahmenbedingungen erfährt wie große Unternehmen, die immer wieder durch große Steuersubventionen gefördert werden. Das wäre der Ansatz einer Gleichbehandlung und für ein investitionsfreundliches Klima. Und es wäre zugleich eine gute Grundlage dafür, Verständnis und Vertrauen mit Zuversicht zu verbinden.

Das Interview führte Mirko Schwanitz

 

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