Beim Abschluss eines Aufhebungsvertrags ist das Gebot fairen Verhandelns als Nebenpflicht der Parteien aus dem Arbeitsvertrag zu beachten. Der Arbeitgeber verstoße gegen dieses Gebot, wenn er eine psychische Drucksituation schaffe, die die freie Entscheidung des Arbeitsnehmers erheblich erschwere und er diese bewusst ausnutze. Ein Aufhebungsvertrag, der unter Missachtung des Gebots fairen Verhandelns zustande kommt, kann unwirksam sein. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 7. Februar 2019 (Az 6 AZR 75/18).
Mit dem vorliegenden Urteil schafft das BAG Klarheit darüber, dass ein arbeitsvertraglicher Aufhebungsvertrag nicht nach den seit dem 13. Juni 2014 geltenden Verbraucherschutzvorschriften widerrufen werden kann. Die Widerrufbarkeit scheitert an der Anwendbarkeit der maßgeblichen Verbraucherschutzregeln. Zugleich statuieren die Bundesarbeitsrichter jedoch mit dem sogenannten Gebot fairen Verhandelns ausdrücklich einen neuen Auflösungstatbestand für Aufhebungsverträge zugunsten des Arbeitnehmers und erweitern damit die Möglichkeiten des Arbeitnehmers, gegen einen Aufhebungsvertrag vorzugehen. Anders aber als mit dem Widerruf nach Verbraucherrechtsgesichtspunkten, bekommt der Arbeitnehmer über diesen Weg kein allgemeines Widerrufsrecht zugesprochen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könne der Gefahr einer möglichen Überrumpelung des Arbeitnehmers bei Vertragsverhandlungen, etwa weil diese zu ungewöhnlichen Zeiten oder an ungewöhnlichen Orten stattfänden, mit dem Gebot fairen Verhandelns begegnet werden. Bei dem Gebot fairen Verhandelns handele es sich im Zusammenhang mit der Verhandlung eines arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrags um eine durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen begründete Nebenpflicht iSd. § 311 Abs.2 Nr.1 iVm. § 241 Abs.2 BGB aus dem Arbeitsverhältnis zur wechselseitigen angemessenen Rücksichtnahme, die auf die Verhandlungen bezüglich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausstrahlen würde. Der Arbeitgeber könne im Einzelfall verpflichtet sein, von sich aus geeignete Hinweise zu geben bzw. entsprechende Aufklärung zu leisten. Bei Verhandlungen über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags liege ein Verstoß gegen § 241 Abs.2 BGB daher insbesondere dann vor, wenn eine Vertragsseite eine Verhandlungssituation herbeiführe oder ausnutze, die eine unfaire Behandlung des anderen Vertragspartners darstelle. Das Gebot fairen Verhandelns werde missachtet, wenn die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners in zu missbilligender Weise beeinflusst werde. Dabei gehe es um das Gebot eines Mindestmaßes an Fairness im Vorfeld des Vertragsschlusses. So sei eine Verhandlungssituation erst dann als unfair zu bewerten, wenn eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt werde, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwere oder sogar unmöglich mache. Dies könne eintreten, wenn besonders unangenehme Rahmenbedingungen geschaffen würden, die erheblich ablenkten oder sogar den Fluchtinstinkt weckten. Möglich wäre auch das Ausnutzen einer objektiv erkennbaren körperlichen oder psychischen Schwäche oder unzureichender Sprachkenntnisse. Ebenso könne die Nutzung eines Überraschungsmoments die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners beeinträchtigen (Überrumpelung). Letztlich sei allerdings immer die konkrete Situation im jeweiligen Einzelfall am Maßstab des § 241 Abs.2 BGB zu bewerten.